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Sonntag, 7. April 2013

"Staatsfernsehen: Was Adenauer nicht konnte, kann Merkel schon lange"


geschrieben am 05. April 2013 von Joerg Wellbrock
Von Jörg Wellbrock
Besonders laut agiert die Kanzlerin Angela Merkel in aller Regel nicht. Und auch ihrem Plan, die Bürger durch einen Hangout bei Google+ an der Politik zu beteiligen, wurde bislang nicht die Beachtung geschenkt, die angemessen wäre. Denn Merkel plant – wie schon im Jahr 2011 praktiziert – ein Staatsfernsehen, das sich Konrad Adenauer so sehr gewünscht hatte.
Am 28. Februar 1961 erlitt Konrad Adenauer eine herbe Pleite. Seine Idee des Staatsfernsehens als Alternative zur ARD wurde vom Bundesverfassungsgericht abgeschmettert. Die „Deutsche Fernsehen GmbH“ verstieß, so ließen die Richter verlauten, gegen die Artikel 5 und 30 des Grundgesetzes. Aus der Traum also. Das Gericht sah die Staatsfreiheit des Rundfunks in Gefahr und erteilte Adenauers GmbH eine Abfuhr. Angela Merkel macht es anders. Sie nutzt die modernen Medien auf subtilere Art und Weise. Besser wird es dadurch aber auch nicht.

Reden in aller Ruhe

Journalisten können nerven. Längst nicht alle, aber es gibt sie eben doch, diejenigen, die unangenehme Fragen stellen, sich nicht mit ausweichenden Antworten zufriedengeben und womöglich sogar peinliche Wahrheiten ans Licht bringen. Wie lässt sich das in aller Ruhe umgehen? Ganz einfach, indem Journalisten gar nicht erst beteiligt werden. Genau das plant Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Hangout auf Google+, das am 19. April 2013 um 17 Uhr starten soll. Bürgernah gibt die Kanzlerin an, dass sie den Bürgern die Möglichkeit einräume, mit ihr zu diskutieren. Das allerdings darf bezweifelt werden, denn nicht nur Journalisten müssen draußen bleiben, die Bürger sind auch nicht dabei.

Viele Frage, gezielte Antworten

Auf den ersten Blick wirkt es nicht nur wie ein geschickter PR-Plan, sondern wie echtes Interesse an den Bürgern. Mit all ihren Sorgen, Nöten und Ängsten können sie sich an die Kanzlerin wenden und ganz „nah dran“ sein, wenn Merkel ihre Antworten gibt. Doch so verklärt ist die Sache nicht, denn eine Nähe zwischen Kanzlerin und Bürgern wird es nicht geben, ein Gespräch schon gar nicht. Bis zum 15. April können Bürger ihre Fragen an die Bundesregierung senden, die dann eine Auswahl derer trifft, die beantwortet werden. Störende Einwände von Journalisten oder – das wäre ja noch schöner! – wütenden oder enttäuschten Bürgern wird es also am 19. April nicht geben. Stattdessen Staatsfernsehen ohne Widerstand. Ohne Gegenwehr. Mit einer Kanzlerin, die alles proben konnte und dabei so authentisch sein wird wie Peer Steinbrück, wenn er von seiner Briefmarkensammlung spricht.

Lizenz zum Senden?

Was Konrad Adenauer zu seiner Zeit nicht glückte, macht Angela Merkel in gewohnter Stille. In einem Youtube-Video spricht sie davon, dass Deutschland „vielfältiger“ werde. Sie meint damit die Integration ausländischer Mitbürger und möchte genau darüber sprechen. Mit den Bürgern. Irgendwie. Doch genau genommen benötigt sie dafür eine Sendelizenz. Eben jene Lizenz, die Adenauer nicht bekam. Und natürlich kann man die Vorhaben nicht eins zu eins übertragen. Schließlich sind heute Live-Übertragungen keine Seltenheit mehr. Man kann Bundestagssitzungen verfolgen, auch die Sitzungen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ werden regelmäßig nach einem Zeitplan im Internet gezeigt. Und dann gibt es ja noch die Piraten, für die Live-Übertragungen quasi ein Teil ihrer Philosophie sind. Wieso in alles in der Welt braucht also ausgerechnet die Kanzlerin eine Sendelizenz?

Erlaubt oder nicht erlaubt?

Die Wächter Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) sind sich der Problematik bewusst. Sie fragen kleinlaut:
„Braucht man für einen solchen Live-Chat eine Rundfunklizenz, weil eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern gleichzeitig erreicht werden kann, der Inhalt eine publizistische Relevanz hat und dem Angebot eine Sendeplanung zugrunde liegt?“
Gute Frage, aber die Antwort auf die konkrete Situation kann eigentlich nur lauten, dass Merkel eine Sendelizenz benötigt. Sie erreicht eine unbestimmte Vielzahl von Bürgern mit ihrem Frage-Antwort-Spiel und folgt einer Sendeplanung. Die „mabb“ allerdings zeigt sich zurückhaltend und merkt an, dass die Gesetzeslage insgesamt eigentlich geändert werden müsste, weil sie nicht mehr zeitgemäß ist. Die Lage ist in der Tat nicht unproblematisch, denn Youtube & Co. zählen offiziell nicht zum Fernsehen. Deshalb sind zahlreiche Angebote im Netz nicht lizenzpflichtig. Ganz anders der Hangout von Angela Merkel.

Warum eigentlich Google?

Es mutet schon bizarr an, dass Angela Merkel ausgerechnet Google für ihre „Bürgernähe“ nutzt. Erst kürzlich war die Käuflichkeit von EU-Abgeordneten, die sich mit großen Internetgiganten über eine wohlwollende Gesetzgebung in Brüssel kümmern sollten, ein Medienthema. Nun kommt die Kanzlerin und nutzt für ihre Pläne ausgerechnet Google.
Im Übrigen: Wenn es zu einer tatsächlichen Interaktion zwischen Merkel und den Bürgern sowieso nicht kommt, warum hat die Kanzlerin nicht die Öffentlich-Rechtlichen genutzt, um die Menschen zu erreichen?
Letztlich läuft es darauf hinaus, Staatsfernsehen zu betreiben. Merkel wird so antworten, wie es ihr gefällt. Und die einzige Zwischenbemerkung wird die des Regisseurs sein, wenn er „Gut so, weiter Frau Merkel“ ruft.
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