Neue Ausgabe https://paper.li/Die-Gesellschaft-und-Politik-Zeitung#/
Mittwoch, 3. Juli 2013
Die US Administration blamiert sich weiter - warum machen Paris und Lissabon beim quasi-Kidnappen des Flugzeugs eines Staatspräsidenten mit ??
= Auch hier ist zu lesen,dass US Botschafter einbestellt werden,dass lückenlose
Aufklärung verlangt wird und dann sowas - einfach unglaublich !!!
US Präsident Obama sollte schleunigst handeln und erstmal verantwortliche
Berater suspendieren!
= Auch Paris und Lissabon haben offenbar immer weniger Interesse an einer
guten Demokratie ??
Gerade weil die US Regierungen besonders auch im letzten Jahrhundert ähnlich
widersprüchlich gehandelt haben,ist das Ansehen der USA nicht mehr das beste.
Kulturzeit gestern Abend auf 3sat
Interessant dazu gestern Befragungen von Schriftstellern,Theaterregisseuren u.a.
Alle haben sich für ein politisches Asyl für Edward Snowden ausgesprochen wegen
dessen wahrscheinlich gutem Dienst für die Demokratie.
Bis auf ein Philosoph,der sich allerdings mit einer dünnen Begründung dagegen
aussprach - sinngemäß: Snowden hätte eine Straftat begangen und müsse sich
dafür verantworten.
Das Edward Snowden mit seinen Enthüllungen offenbar erhebliche Gesetzesüber-
schreitungen offengelegt hat,davon nicht ein einziges Wort.
Und in einem Bericht über den neuen iranischen Präsidenten musste sich auch wieder
so eine offenbar journalistisch schlecht ausgebildete Redakteurin im Hintergrund
wichtigtun um nicht zu sagen einschleimen:"das letzte Wort hat sowieso..."
Ohne Worte
Jagd auf Snowden: Aufregung um angebliche Landung in Wien
Boliviens Präsident Evo Morales musste
in Wien landen, weil Snowden in seinem Flugzeug vermutet wurde.
Dienstagnacht machte das Gerücht die Runde, der US-Whistleblower Edward Snowden sei auf dem Wiener Flughafen in Schwechat gelandet. Das berichtete die ZiB24 und berief sich dabei auf den Nachrichtensender CNN.
Er sei gemeinsam mit Boliviens Staatschef Evo Morales in einem Flugzeug
der bolivianischen Airforce notgelandet. Snowden befinde sich "nicht"
in Wien, dementierte allerdings Alexander Schallenberg, Sprecher von
Außenminister Michael Spindelegger, in der Nacht auf Mittwoch.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
Bestätigt ist, dass die Maschine des bolivianischen Präsidenten in der
Nacht zum Mittwoch in Wien landen musste. Sowohl Morales als der
mitgereiste Verteidigungsminister Ruben Saavedra
unterzogen sich einer routinemäßigen Passkontrolle. Wie die Regierung
in La Paz weiter mitteilte, hatten zuvor Frankreich und Portugal
Überflugrechte für das aus Moskau kommende Flugzeug verweigert. Morales
befindet sich immer noch am Wiener Flughafen, bisher hat er keine
Flugerlaubnis bekommen
Ein möglicher Weiterflug über Spanien wurde dagegen abgelehnt - wie
Minister Saavedra gegenüber dem KURIER bestätigte, wurde der Morales
keine Überflug-Genehmigung erteilt, es sei denn, man lasse das Flugzeug
inspizieren. Dies lehnte Morales aber bereits in Wien unter Verweis auf
seine diplomatische Immunität, sowie auf die Tatsache dass es sich bei
dem Flugzeug um exterritoriales Gebiet handelt, ab. Morales fühlt sich
nach Angaben seines Ministers in Österreich "festgehalten".
Foto: KURIER/Al-Serori
Österreichs Behörden gehen jedoch davon aus, dass die Angaben der
russischen und bolivianischen Behörden korrekt sind und sich Snowden
nicht in der Maschine befindet. Nach knapp zehn Stunden Aufenthalt traft
mit Bundespräsident Heinz Fischer der erste offizielle Vertreter
Österreichs am Flughafen ein. Für den KURIER berichten Leila Al-Serori
und Michael Berger aus Schwechat.
"Unbegründete Verdächtigungen"
Grund für die erzwungene Landung seien laut Boliviens Außenminister
David Choquehuanca „unbegründete Verdächtigungen“, dass sich Snowden an
Bord befunden hätte. Er wisse nicht, "wer diese Lüge erfunden hat" und
verurteilte die "Ungerechtigkeit", die Morales widerfahren sei. Dadurch
sei das Leben des Präsidenten in Gefahr gewesen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER
Die erzwungene Landung könnte diplomatische Konsequenzen haben: Der
südamerikanische Staatenbund UNASUR will Stellung zum Überflugverbot der
Maschine des bolivianischen Präsidenten nehmen. Ecuadors Staatschef
Rafael Correa und seine argentinische Kollegin Cristina Fernandez de
Kirchner forderten die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung, um
gegen das Überflugverbot des bolivianischen Präsidentenflugzeugs über
mehrere europäische Staaten Protest einzulegen.
"Keine politische Weisung"
Im Innenministerium zeigte man sich mit der Entscheidung Morales
zwischenlanden zu lassen, zufrieden. "Für uns ist das
selbstverständlich", so Mikl-Leitner am Mittwoch der apa. "Das
ist der Beweis dafür, dass Österreich keine Angst hat." Das Vertrauen
Europas in die USA nach den Berichten über Lauschangriffe bezeichnete
sie als "erschüttert". Von Washington forderte sie "volle Aufklärung"
der kolportierten Spähaktionen.
Die Entscheidung Österreichs, den Überflug zu gewähren, sei von der
für die Luftraumsicherung zuständigen Austro Control getroffen worden,
sagte Mikl-Leitner. Es habe hier "keine politische Weisung" gegeben. Von
"politischen Zurufen" hinsichtlich der Frage, ob der frühere
US-Geheimdienstmitarbeiter und Aufdecker Edward Snowden Asyl in
Österreich bekommen sollte, hält Mikl-Leitner nichts. Diese seien
"völlig inakzeptabel", so die Ministerin am Mittwoch.
Österreich sei "kein Willkürstaat", man werde "aufgrund der Gesetze
vorgehen". Jeder habe das Recht auf ein "faires Verfahren", erklärte
Mikl-Leitner. Zu den Chancen eines gültigen Asylantrages Snowdens wollte
sie sich nicht äußern, dies bedürfe "keiner persönlichen Einschätzung".
Jedenfalls unterliege ein Antrag - "wie jeder andere" einer
Einzelfallprüfung.
Asylanträge
Am Dienstag war die Causa Snowden bereits Thema bei Österreichs
Regierungsspitze. Einheitlich ist zwar die Empörung über die
Enthüllungen des ehemaligen US-Geheimdienstmannes. Genauso geschlossen
aber wehrte man am Dienstag sein Asylansuchen ab. Montag Nachmittag
hatte Snowden über einen Mittelsmann einen Asylantrag in der
österreichischen Botschaft gestellt – ebenso wie für 18 weitere Länder.
Doch Österreich wird Snowdens Antrag erst gar nicht behandeln – er
ist nicht gültig. „Fakt ist“, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner
im Ministerrat, „dass ein solcher Antrag nur im Land gestellt werden
kann.“ Mehrere andere Länder winkten ebenfalls mit der selben Begründung
ab – nur im Asylland selbst könne ein rechtsgültiger Antrag persönlich
gestellt werden. Auch Herbert Langthaler von der Asyl-Koordination
bestätigte gegenüber dem KURIER, „dass Snowden so lange keine Chance
hat, so lange er nicht einreisen kann.“
Politischer Ausweg
Doch was auf rechtlichem Weg derzeit unmöglich scheint, ist auf
politischem Weg nicht ganz ausgeschlossen. In Deutschland, wo man
Snowdens Asylantrag ebenfalls zurückwies, deutete Innenminister
Friedrich bereits an: „Am Ende wird es möglicherweise eine politische
Frage sein.“
Bei entsprechendem politischem Entgegenkommen könne man laut Herbert
Langthaler durchaus einen Deal finden, wie Snowden in Österreich
einreisen und dann seinen Asylantrag stellen könnte. Auch Peter Pilz,
Sicherheitssprecher der Grünen, macht sich für eine „politische Lösung“
stark“. „Zuerst müssen wir mit den Russen reden und sie bitten, Snowden
in ein Flugzeug steigen zu lassen. Dafür braucht er nur ein Flugticket.
Und dann“, so Pilz im Gespräch mit dem KURIER, „müsste er in Schwechat
einreisen dürfen, ohne abgewiesen zu werden.“
Hier könnte die Innenministerin ein Verfahren auf humanitäres
Bleiberecht eröffnen. Ob Snowden dann auch nur ein Visum oder eine
Rot-Weiß-Rot-Karte erhält, sei letztlich nicht so entscheidend als
vielmehr: „Österreich muss im Grunde nur eine einzige politische
Entscheidung treffen: Schützen wir Snowden und geben der politischen
Erpressung nicht nach oder schützen wir den amerikanischen
Überwachungsstaat?“
Warnungen
Die USA aber haben schwere diplomatische Geschütze gegen Staaten
aufgefahren, die eventuell mit dem Gedanken spielen könnten, Edward
Snowden aufzunehmen. So wurden laut Presse mehrere europäische
Staaten in harschen Verbalnoten aufgefordert, die USA sofort zu
benachrichtigen, sollte der Ex-Geheimdienstmann anreisen. Dann müsse
dieser an die USA ausgeliefert werden.
Dass Washington den Druck auch gegenüber Österreich erhöhen würde,
sollte Snowden je hier ankommen, lässt Pilz kalt. „Darüber würde ich mir
keine Sorgen machen. Die USA so wie alle anderen Großmächte auch,
drohen immer. Aber im Regelfall reagieren die USA erstaunlich
pragmatisch.“
Selbst wenn der 30-jährige Snowden in Österreich Aufnahme gefunden
hätte, wäre er noch nicht in absoluter Sicherheit. Laut Verträgen müsste
Österreich den per internationalem Haftbefehl gesuchten Snowden
ausliefern. Ausnahme: Droht ihm in den USA die Todesstrafe oder „Gefahr
für Leib und Leben“, dürfte er nicht an die US-Behörden übergeben
werden. Vorerst aber ist Snowden nur für „Diebstahl von
Regierungseigentum“ angeklagt, worauf im Höchstfall bis zu 20 Jahren
Haft stehen.
Fragenkatalog
Welche und wie viele Daten der US-Geheimdienst NSA
in Österreich ausspioniert hat, bleibt weiter unklar. US-Botschafter
William Eacho, der am Montag ins Außenamt zitiert worden war, erhielt
einen Fragenkatalog. Die Antworten darauf hofft die Regierung bis
spätestens nächste Woche zu erhalten. „Man kann nicht hinterrücks
abgehört werden“, machte gestern Außenminister Michael Spindelegger noch
einmal deutlich. „Hier muss man als Staat klar sagen, dass dieses
Verhalten absolut inakzeptabel ist.“
Nicht nur Antworten, sondern gleich Sanktionen fordert indes
Europa-Abgeordneter Jörg Leichtfried (SPÖ): Sämtliche EU-Abkommen, in
denen Daten an die USA geliefert werden, sollten eingefroren werden.
USA
Welche Strafe erwartet den Ex-NSA-Mann in den USA?
US-Experten halten eine Anklage
Snowdens wegen Hochverrats – auf den theoretisch die Todesstrafe steht –
für unmöglich.
Seit Tagen steckt Edward Snowden im Transitbereich des
Scheremetjewo-Flughafens in Moskau fest und Agenten – davon kann man
ausgehen – sind seine treuesten Begleiter: In Scheremetjewo ist es der
russische Geheimdienst, davor, in Hongkong, war es wohl der chinesische.
Trotzdem steht Hochverrat nicht auf der Liste der Anklagen, die
Washington gegen Snowden erhebt. „Hochverrat ist sehr genau in der
US-Verfassung definiert“, erklärt der Experte für Nationale Sicherheit
beim Washingtoner Institut für politische Analysen Brookings, Benjamin
Wittes, dem KURIER. Laut Verfassung ist es Hochverrat, Krieg gegen die
USA zu führen oder Feinden zu helfen, die Krieg gegen die USA führen.
„Es ist klar, das Snowden keinen Hochverrat begangen hat“, so Wittes.
Die Anklage gegen Snowden ist aber auf keinen Fall harmlos:
„Diebstahl von staatlichem Eigentum“, „unbefugte Weitergabe von
Informationen, die mit der nationalen Verteidigung verbunden sind“, und
„bewusste Weitergabe klassifizierter Geheimdienstinformationen an eine
unbefugten Person“. Sollte man ihn vor Gericht bringen und für schuldig
erklären, drohen Snowden zwischen 15 und 20 Jahren Haft.
Ein Gericht in Alexandria, im Bundesstaat Virginia ist für seinen
Fall zuständig. „Das ist die Instanz, die für Verbrechen von
US-Bundesbeamten zuständig ist,“ sagte der Experte für Cybersicherheit
am US-Center for Strategic & International Studies, James Lewis, zum
KURIER. Obwohl Snowden nicht direkt für die US-Regierung gearbeitet
hat, sondern über eine private Firma – Booze Allen – ein externer
Auftragnehmer war, falle er auch unter die Hoheit dieses Gerichts.
Langsame Behörden
Die Anklage gegen Snowden hat der US-Regierung als Grund für den
Auslieferungsantrag an die Behörden in Hongkong gedient.
US-Medienberichten zufolge haben diese aber den Antrag zuerst zurück
nach Washington geschickt mit der Begründung, er sei nicht vollständig.
Währenddessen gelang es Snowden, nach Moskau zu flüchten. Es ist immer
noch unklar, warum die US-Regierung Snowden nicht gleich bei Interpol
gemeldet hat, was zu einem internationalen Haftbefehl geführt hätte. Das
US-Außenministerium brauchte zudem auch einige Tage, bis es Snowdens
US-Reisepass für ungültig erklärte und somit seine Weiterreise unmöglich
gemacht hat. „Ich habe mich auch gewundert, warum das so war“, gab
Lewis zu. „Weil eben die US-Regierung langsam ist. Sie wollte überlegen,
welche die richtigen Anklagen sind“, sagt der Cybersicherheits-Experte.
Europa
EU-Staaten wollen mit Snowden nichts zu tun haben
Asylanträge werden von EU-Staaten
erklärungsarm zurückgewiesen – am wahrscheinlichsten erscheint jetzt
eine Flucht nach Venezuela
Ohne gültige Reisedokumente sitzt Edward Snowden seit
neun Tagen im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo fest.
Wo genau er sich befindet, ist unbekannt. Sollte er sich im
internationalen Bereich des Novotel-Hotel einquartiert haben, was mehr
als wahrscheinlich scheint, so hat er sogar Blick auf das Rollfeld. Aber
so, wie es aussieht, sind die wenigen Meter zu einem der Flugzeuge
weniger eine rechtliche Frage, als eine voll und ganz politische
Entscheidung.
Eine solche zeichnete sich am Dienstag ab – oder erschien erstmals
zumindest greifbar. Nach dem ausgeschlagenen Angebot von Russlands
Präsident Wladimir Putin, Russland könne Snowden unter Bedingungen Asyl
gewähren, rückte Venezuela als möglicher Fluchtort in den Focus.
Venezuela-Connection: Putin und Maduro (re.) in Moskau
-
Foto: AP/Alexei Nikolsky
Bei einem Besuch von Venezuelas Präsident Nicolas Maduro in Russland
stand das Thema Snowden ganz oben auf der Liste der zu besprechenden
Themen mit Putin. Und in russischen Medien wurde schon spekuliert, dass
Snowden gemeinsam mit Maduro und seiner Delegation bereits am Dienstag
abreisen könnte.
„Kriege verhindert“
Maduro wies das am Dienstag zurück. Er werde sein Flugzeug nicht für
Snowden bereitstellen. Und außerdem hätten die venezuelanischen Behörden
noch nicht einmal einen Asylantrag erhalten. Zugleich aber sagte
Maduro, Herr Snowden verdiene Schutz unter internationalem Recht. „Er
hat niemanden getötet, er hat keine Bombe gelegt“, so Maduro. Er habe
ausschließlich eine große Wahrheit ausgesprochen und Kriege verhindert.
Nach seinen Enthüllungen in Hongkong über weitreichende
US-Spionageprogramme unter anderem in europäischen Staaten und
Institutionen war Snowden vor neun Tagen nach Moskau geflogen.
Währenddessen hatten die US-Behörden seinen Pass für ungültig erklärt,
wodurch Snowden seinen Anschlussflug in ein südamerikanisches Land nicht
nehmen konnte. Seither sitzt er in Moskau fest. Sein wahrscheinlich
ursprüngliches Zielland Ecuador wendet sich inzwischen ab. Präsident
Rafael Correa sagte in einem Interview mit The Guardian, über den der
Fall erst ins Rollen gekommen war, sein Land prüfe derzeit noch keinen
Antrag Snowdens. Dafür müsse dieser erst ecuadorianisches Territorium
erreichen. Man habe den US-Informanten nie zur Flucht verhelfen wollen.
Ziel: Europa
Snowdens erste Wahl als Asyl-Land scheint allerdings ohnehin ein
Staat in Europa zu sein. 21 Anträge soll er per Fax aus seinem Versteck
an die Botschaften verschiedener Staaten in Moskau verschickt haben.
Darunter Spanien, Finnland, Polen, Deutschland, Österreich aber auch
Indien und angeblich auch China. Indien lehnte postwendend ab, ebenso
Polen. Aus Warschau hieß es seitens des Außenministeriums, man habe kein
Interesse. Spanien argumentierte seine Absage mit Formfehlern. Ebenso
Finnland. Und Deutschland bestätigte lediglich, dass ein Schreiben
Snowdens eingegangen sei. Ein Sprecher des Innenministeriums formulierte
Zweifel, dass humanitäre und völkerrechtliche Gründe geltend gemacht
werden könnten.
Während die EU-Staaten Absagen formulieren, gärt es in europäischen
Institutionen, wegen Snowdens Enthüllungen. Im EU-Parlament erwägen die
Fraktionsvorsitzenden, einen Untersuchungsausschuss zu den Vorwürfen
einzuberufen, die USA hätten in großem Umfang diverse EU-Institutionen
verwanzt und ausspioniert. Eine Entscheidung soll am Donnerstag fallen.
Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso nannte die Berichte vor dem
EU-Parlament in Straßburg am Dienstag „sehr beunruhigend“ und forderte
eine vollständige Aufklärung. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte
in einem Interview: „Die vereinigten Staaten von Amerika spionieren
jeden und alles aus und meinen, dass sei rechtens. Und da muss mal
gesagt werden: Das ist nicht rechtens, sondern das ist schlicht und
ergreifend eine Provokation.“ Die Affäre sei ein „sehr schwerer Schlag
für die Beziehungen zwischen der EU und den USA“.
Verschlüsselung
Regierung spricht mit Krypto-Handys
Büros auf Wanzen untersucht
Auf Verschlüsselungssysteme für alle Arten der
Kommunikation hat auch die Bundesregierung Zugriff. „Aber soweit ich
weiß, sind diese den meisten Regierungsmitgliedern zu kompliziert“, sagt
der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes Gert Polli, der sich mit
seiner Sicherheitsfirma selbstständig gemacht hat.
Im Bundeskanzleramt wird das gegenüber dem KURIER dementiert.
Regelmäßig ist hier die Informations-Sicherheitskommission tätig,
bestätigt ein leitender Beamter: „Wir haben längst Krypto-Handys
angeschafft, jedes Regierungsmitglied hat die Möglichkeit, die interne
Kommunikation verschlüsselt zu führen.“ Bei Krypto-Handys werden die
Gesprächsdaten des Telefons vor der Übertragung mittels eines
Algorithmus verschlüsselt, das System funktioniert freilich nur, wenn
der Gesprächspartner ebenfalls über ein verschlüsseltes Telefon verfügt.
Das System funktioniere ähnlich wie das codierte Blaulicht-Funknetz
Tetron. In wie weit jedes Regierungsmitglied auf das System zugreift,
bleibt den Ressorts überlassen, heißt es aus dem Kanzleramt. Zudem
werden bei den „normalen“ Handys der Spitzenpolitiker regelmäßig die
SIM-Karten und damit die Telefonnummern gewechselt.
Im Innenministerium unterscheide man sehr genau zwischen normaler und
sensibler Kommunikation, erklärt Sektionschef Hermann Feiner. Für
normale Gespräche oder für soziale Medien greife Johanna Mikl-Leitner
auf handelsübliche Smartphones zurück. Heikle Gespräche werden
ausschließlich über sichere Kommunikationsschienen geführt.
Dazu kommt, dass in allen Ministerien „in unregelmäßigen Abständen“
die Räumlichkeiten auf Abhörsicherheit („Wanzen“) überprüft werden. Und
derzeit wird in den Ministerien verstärkt darauf aufmerksam gemacht, wie
man sich vor Überwachung schützen kann.
Spitzelaffäre
Österreich bestellt US-Botschafter ins Außenamt ein
Außenminister Spindelegger will
konkret wissen, welche US-Spionageaktivitäten in Österreich stattfanden.
Die Wanzenjagd hat begonnen. Die EU hat in ihren Vertretungen Sicherheitsüberprüfungen angeordnet. Man reagiert so auf jüngste Enthüllungen in der Spionage-Affäre rund um die von Edward Snowden an die Öffentlichkeit gebrachten Daten und Dokumente.
Laut einem Bericht des Guardian hat der US-Geheimdienst NSA die
Botschaften zahlreicher großer EU-Länder wie Frankreich oder Italien in
Washington angezapft. Schon am Tag zuvor hatte der Spiegel aufgedeckt,
dass die EU-Vertretungen in Washington, aber auch bei der UN in New York
überwacht worden waren. Und das nicht nur mit den Mitteln der
Datenspionage, sondern auch mit althergebrachten Methoden. So wurden
Telefone und Faxgeräte angezapft, Gespräche mit Spezialantennen
belauscht, diplomatische Schreiben abgefangen und geöffnet.
Unter den betroffenen Ländern hat die Empörung die Regierungsspitzen erreicht.
In Wien wurde US-Botschafter William Eacho gestern Abend kurzfristig
ins Außenamt bestellt. In der US-Botschaft konnte man sich auf
KURIER-Anfrage nicht an eine solche diplomatische Drohgebärde erinnern.
Klare Worte
Das Außenamt stand schon länger in Kontakt
mit der US-Botschaft, sagte der Sprecher des Außenministeriums zum
KURIER. Doch Minister Spindelegger wollte dem Botschafter direkt
mitteilen, dass die Vorgehensweise der US-Regierung „unter Freunden
inakzeptabel ist“. Außerdem forderte er von Eacho „Aufklärung“. Als
EU-Mitglied und somit Partnerstaat der USA habe man klare Worte statt
„schnoddrige Antworten“ verdient. Eacho blieb nichts, als die Anliegen
Österreichs zur Kenntnis zu nehmen. Er versprach eine Reaktion der USA
auf die Fragen aus Europa. Antworten auf einen Fragenkatalog aus Wien
erwartet Spindelegger „binnen Tagen“, sagte er am Montag in der ZiB2. In Berlin meinte der Sprecher der Regierung:
„Abhören von Freunden ist inakzeptabel. Wir sind nicht mehr im Kalten
Krieg.“ Kanzlerin Merkel wollte sich mit US-Präsident Obama direkt in
Verbindung setzen. Ganz ähnlich auch die Stellungnahmen aus anderen
EU-Hauptstädten, etwa Paris, wo Präsident Hollande ein sofortiges Ende
der Spionageaktivitäten forderte.
Erklärungen wollten die USA nicht liefern, zumindest nicht öffentlich. James Clapper, oberster Chef aller US-Geheimdienste,
versprach nur, dass man sich mit der EU und den einzelnen
Mitgliedsstaaten über „unsere diplomatischen Kanäle“ verständigen werde.
Grundsätzlich aber würde man geheimdienstliche Aktivitäten nicht
öffentlich kommentieren. Die USA würden Informationen sammeln, so wie es
andere Nationen auch täten.
Hauptziel des Spähskandals ist laut Spiegel Deutschland. Frankfurt
ist Hauptbasis der NSA in Europa. Hauptgrund dafür ist die Technik:
Frankfurt ist der größte Umschlagplatz für den Internet-Datenverkehr
weltweit. 20 Rechenzentren dafür stehen hier, darunter der viertgrößte
Verteiler der Welt, der Russland und Osteuropa mit dem Westen verbindet.
Damit betrifft, von den laut Spiegel täglich bis zu 60 Millionen in
Deutschland von den USA überwachten Verbindungen, ein guter Teil andere
Länder.
EU
Brüssel verlangt rasche Aufklärung aus Washington
Selten waren EU-Politiker aller Länder und Couleurs so
einig wie in der Reaktion auf die Berichte zu den Spähangriffen durch
US-Geheimdienste: Das Vertrauen in den Partner Amerika ist erschüttert,
es muss rasche Aufklärung geben.
Die Berichte kommen diplomatisch gesehen zur Unzeit: Im Juli sollen
die Gespräche über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und
den USA starten. Doch jetzt fordern viele einen Stopp der Gespräche bis
zur Aufklärung. Auch Justizkommissarin Viviane Reding hat diesen Schritt
angedroht. Am Montag wurde der amerikanische EU-Botschafter vorgeladen.
Regionalkommissar Johannes Hahn meint, es handle sich um „ein
merkwürdiges Verhalten unter Freunden“. Das ist der Grundtenor vieler
Reaktionen: Man ging davon aus, dass sich die Spionage beim Partner
Europa in engeren Grenzen halten würde.
„Absolut inakzeptabel“
„Es war klar, dass abgehört wird – aber nicht in dieser Dimension und
nicht unter Freunden“, sagt ÖVP-EU-Mandatar Hubert Pirker zum KURIER.
Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, wäre dies „absolut inakzeptabel,
empörend und ließe sich nicht mit dem Argument der Terror-Bekämpfung
rechtfertigen.“ SPÖ-Europa-Abgeordneter Josef Weidenholzer sieht das
Problem in den „offenbar gigantischen Dimensionen“ der Spähtätigkeit –
und in deren Systematik, wie er zum KURIER sagt: „So lässt sich das
Verhalten der Überwachten sehr detailliert analysieren. Das rückt die
USA weit weg von dem, dass sie die Speerspitze der Freiheit waren.“
Weidenholzer erinnert an die ECHELON-Affäre rund um das Jahr 2000, als
aufflog, dass (auch) US-Geheimdienste satellitengestützte Kommunikation
abhörten. Damals ging es um Wirtschaftsspionage im großen Stil. Sollte
dies wieder der F all sein, „wäre es doch absurd, wenn es auf der einen
Seite Industriespionage gibt und auf der anderen sollen wir auf
Augenhöhe über ein Handelsabkommen reden.“
Parlamentspräsident Martin Schulz zeigte sich zum Auftakt der
Sitzungswoche in Straßburg empört: „Präventive Maßnahmen sind bei der
Terror-Bekämpfung notwendig. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass in
den Einrichtungen der EU terroristische Anschläge geplant werden. Daher
ist dieses Vorgehen unakzeptabel.“
Kommentar
Ans Tageslicht II
Am Montag haben wir hier berichtet,
dass Ernst Strasser „ans Tageslicht“ gebracht hat, schon lange vor
Edward Snowden finsteren Geheimdienstmächten auf der Spur gewesen zu
sein. Prompt hat Letzterer einen Asylantrag für Österreich gestellt.
Das lässt jetzt einige Vermutungen zu: Will sich Snowden mit Strasser austauschen, so von Aufdecker zu Aufdecker?
Oder will er dem Ex-Innenminister Nachhilfe geben, wie man’s macht,
ohne ausgelacht zu werden (= nicht als „Off-course-I’m-a-Lobbyist“ vor
laufenden Kameras anbieten, für Geld Gesetze zu ändern)?
Hat Snowden einfach nur Austria mit Australia verwechselt? Immerhin ist der Mann Amerikaner!
Leider wird’s zum Asyl für Snowden eh nicht kommen, weil formal der
Antrag in Österreich hätte gestellt werden müssen. – Schade. Wir hätten
Snowden doch gegen Strasser tauschen können. Der im Moskauer Transit auf
dem Weg nach Ecuador – wer weiß, was er da via Facebook noch alles ans
Tageslicht gebracht hätte?
(KURIER/APA/mn/la/lm)
Erstellt am 02.07.2013, 05:36
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