Ehemaliger NSA-Agent wirft Merkel Heuchelei vor
30.06.13
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Weitergabe von Daten
Ehemaliger NSA-Agent wirft Merkel Heuchelei vor
Deutschland soll den US-Geheimdienst seit Jahren heimlich
mit Daten versorgen. Das behauptet ein ehemaliger NSA-Agent. Die
Empörung deutscher Politiker über die USA sei daher pure Heuchelei.
In eigener Sache:
Liebe Leser, diesen Artikel haben wir in der Nacht zum Sonntag auf Basis
von Informationen der britischen Zeitung "Guardian", über die die
Nachrichtenagentur dpa berichtete, veröffentlicht. Kurz darauf
informierte uns die Nachrichtenagentur dpa, dass der "Guardian" seinen
Bericht zurückgezogen habe und zog ihrerseits ihre Berichterstattung
zurück. Der "Guardian" berief sich zur Begründung auf eine andauernde
Untersuchung des Sachverhalts. Von diesem Zeitpunkt an war für uns die
Voraussetzung für eine Berichterstattung nicht mehr gegeben, weswegen
der Text von unserer Webseite genommen wurde, da die inhaltliche
Grundlage entfallen war.
Eine Reihe
europäischer Länder hat nach Angaben der britischen Zeitung "The
Guardian" regelmäßig aus digitaler Kommunikation gewonnene Daten an die
US-Sicherheitsbehörde NSA weitergegeben. Auch Deutschland soll sich
daran beteiligt haben. Das berichtet das Blatt unter Berufung auf Enthüllungen eines ehemaligen NSA-Mitarbeiters in dem Internet-Blog "PrivacySurgeon.org".
Bei dem
Informanten handelt es sich um Wayne Madsen, Ex-Offizier der US Navy. Er
hat von 1985 an für die NSA gearbeitet und dort in den folgenden zwölf
Jahren mehrere hohe Positionen innegehabt. Neben Deutschland und
Großbritannien sollen Madsen zufolge auch Dänemark, die Niederlande,
Frankreich, Spanien und Italien entsprechende "geheime Deals" mit
Washington haben. Sie sollen sich verpflichtet haben, auf Aufforderung
Daten aus der Internet- und Mobilfunkkommunikation an die NSA
auszuhändigen.
Madsen sagte, er
habe diese Angaben nun publik gemacht, da europäische Regierungen in
den vergangenen Wochen "nur die halbe Wahrheit" über ihre Kooperation
mit den US-Sicherheitsbehörden erzählt hätten, die Jahrzehnte –
teilweise bis in die Zeit des Kalten Kriegs – zurückgehe. Alle sieben
genannten Länder hätten Zugang zu einem transatlantischen
Glasfaserkabel, das ihnen erlaube, große Datenmengen, darunter
Informationen über Telefonate, E-Mails und die Nutzung von Webseiten
abzuzapfen, sagte Madsen.
Der
Geheimdienst-Mitarbeiter sagte zudem, er sei überrascht über die
"Heuchelei" führender europäischer Politiker, die sich schockiert über
die geheimdienstlichen Aktion der Briten und Amerikaner gezeigt hätten.
Vor allem die Reaktionen in Deutschland seien Madsen schleierhaft: "Ich
kann nicht verstehen, wie Angela Merkel dabei ernst bleiben kann, wenn
sie von Obama und Großbritannien Aufklärung verlangt, obwohl Deutschland
selbst eben diesem Netzwerk beigetreten ist".
"Merkel verhält sich wie Inspektor Reynaud"
Madsen ging soweit zu sagen, Merkel verhalte sich wie Inspektor Reynaud in "Casablanca".
Dieser war in dem legendären Film französischer Polizeichef in
Casablanca. Reynaud arbeitete mit zwielichtigen Methoden, empörte sich
aber öffentlich gern über das Verhalten anderer.
Unterdessen
haben führende EU-Politiker empört auf Meldungen reagiert, wonach der
US-Geheimdienst NSA gezielt die Europäische Union ausgespäht haben soll.
"Wenn diese Berichte wahr sind, ist das abscheulich", sagte Luxemburgs
Außenminister Jean Asselborn Spiegel Online.
"Die USA sollten lieber ihre Geheimdienste überwachen statt ihre
Verbündeten. Wir müssen jetzt von allerhöchster Stelle eine Garantie
bekommen, dass das sofort aufhört."
EU-Parlamentspräsident
Martin Schulz (SPD) forderte genauere Informationen. "Aber wenn das
stimmt, dann bedeutet das eine große Belastung für die Beziehungen der
EU und der USA", sagte er dem Nachrichtenportal. Manfred Weber (CSU),
stellvertretender Fraktionsvorsitzender der EVP und Sicherheitsexperte
im Europaparlament, nannte es inakzeptabel, wenn europäische Diplomaten
und Politiker in ihrem Alltag ausspioniert werden. "Das Vertrauen ist
erschüttert."
NSA soll Wanzen in EU-Büros installiert haben
"Das
Ausspionieren hat Dimensionen angenommen, die ich von einem
demokratischen Staat nicht für möglich gehalten habe", sagte Elmar Brok
(CDU), Vorsitzender des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des
Europäischen Parlaments. Europas geplantes Freihandelsabkommen mit den
USA hält er für gefährdet. "Wie soll man noch verhandeln, wenn man Angst
haben muss, dass die eigene Verhandlungsposition vorab abgehört wird?"
Der "Spiegel"
hatte zuvor berichtet, die NSA habe EU-Einrichtungen in Washington, New
York und Brüssel ausgespäht. Der Geheimdienst habe Wanzen versteckt und
interne Computernetzwerke infiltriert.
dpa/jay
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