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Dienstag, 13. August 2013

"Merkels Gift wirkt" - Süddeutsche Zeitung vom 11.08.2013



Tabuthema Europa: Im Wahlkampf scheint die existenzielle Gefahr der großen europäischen Krise wie weggeblasen. Das liegt vor allem daran, dass Kanzlerin Merkel das Thema vergiftet - und Sentiments schürt, die kaum noch zu erschüttern sind.
Ein Kommentar von Daniel Brössler
Deutschland erlebt einen absonderlichen Wahlkampf. Gewiss: Die Parteien der Opposition betonen die Sorgen der Menschen. Es geht um Renten, um Löhne, zu hohe Mieten, steigende Stromkosten und fehlende Kitaplätze. Und natürlich: Die Parteien der Regierung zeigen auf die Zufriedenen. Auf Menschen, die sich über relativ sichere Arbeitsplätze freuen und eine starke Volkswirtschaft.
Es läuft also, und gerade das macht diesen Wahlkampf so seltsam, alles wie immer. Die existenzielle Gefahr, in der die Europäische Union schwebt, bleibt unsichtbar; die große europäische Krise wirkt wie weggeblasen. Die Europäer blicken nach Deutschland, weil ihnen klar ist, dass die Zukunft der Union wesentlich von diesem Land abhängt. Was sie aber zu sehen bekommen, ist eine Nation, die für den Moment so tut, als gehe sie das alles nichts an.
Es ist dabei nicht so, als hätten die Parteien zu Europa und seiner Krise nichts zu sagen. In den Wahlprogrammen fordern sie ein "europäisches Deutschland innerhalb einer Wirtschafts- und Solidarunion" (Grüne), eine "sozial verantwortlich handelnde EU" (SPD), einen "Neustart für die Europäische Union" (Linke), einen "europäischen Bundesstaat" (FDP) oder wenigstens, dass "Europa gestärkt aus der Krise hervorgeht" (CDU/CSU).

Wahlplakate der CDU - So will die Partei punkten

Wahlkampf absurd: Die CDU stellt die ersten Motive ihrer Plakatkampagne zur Bundestagswahl vor. Doch die sehen aus wie jene von der SPD. Beide Parteien zeigen Merkel - und windelweiche Slogans.

Das Bild von den so sparsamen wie fleißigen Deutschen

Vom Kanzlerinnenversprechen eines sicheren Euro abgesehen, spielt die EU auf den Plakaten aber keine Rolle. Nicht einmal bei den Grünen, die in ihrem Wahlprogramm behaupten, sie wollten die Bundestagswahl nutzen, um "einen Politikwechsel auch in Europa voranzubringen". Die groteske Wahrheit ist: Je mehr die Parteien über Europa in ihre wenig gelesenen Programme geschrieben haben, desto weniger reden sie darüber. Die Wahlstrategen halten das Thema offenkundig für toxisch.
Wenn eine große Mehrheit der Bevölkerung der Meinung ist, die Regierung habe in einer schwierigen Situation das Mögliche getan, ist für die Opposition nicht mehr viel zu holen. Überdies hat die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Sentiments bedient und geschürt, die nun kaum noch zu erschüttern sind. Das Bild von den so sparsamen wie fleißigen Deutschen, die für sorglose Südeuropäer blechen müssen, hat sich so tief ins Bewusstsein der Bundesbürger eingegraben, dass es nur noch schwer herauszuholen sein wird.
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Quelle und Bearbeiter: SZ vom 12.08.2013/ebri

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