Wahlkampf-Interviews fürs Ausland: Niemand fragt, Merkel antwortet
Unangenehme Journalistenfragen
an die Kanzlerin? Das muss nicht unbedingt sein, findet die CDU. Die
Partei beliefert im Wahlkampf deutschsprachige Auslandszeitungen mit
vorgefertigten Merkel-Interviews.
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Die Kollegen der "Mallorca Zeitung" sind nicht die einzigen, die in diesen Tagen Post aus der CDU-Zentrale erhalten haben. Die Bundesgeschäftsstelle bietet das "Musterinterview" nach eigenen Angaben rund 250 deutschsprachigen Zeitungen im Ausland an - von der "Allgemeinen Zeitung" in Namibia über die "Karpatenrundschau" bis zum chilenischen "Condor". Dass die Kanzlerin in dem vorbereiteten Gespräch gut wegkommt, liegt in der Natur der Sache. Einen Journalisten, der kritische Nachfragen hätte stellen können, gab es ja nicht. "Das ist PR in Reinform", empört sich der Sprecher des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Hendrik Zörner. "Auch für das Verhältnis der CDU zu den deutschen Auslandsmedien muss gelten: Wahlwerbung darf nicht den Journalismus ersetzen."
Erinnerungen an McAllisters Sommerinterview
In der CDU sieht man keinen Grund zur Aufregung. Man sehe es als Aufgabe der Parteien, die wahlberechtigten Auslandsdeutschen "über ihr Wahlrecht und die unterschiedlichen Positionen der Parteien zu informieren", heißt es aus der Bundesgeschäftsstelle. "Es versteht sich dabei von selbst, dass jede Zeitung frei ist, dieses Angebot zu nutzen oder nicht." Journalistische Unabhängigkeit und das Grundrecht der Pressefreiheit seien für die CDU "ein sehr hohes Gut, das jederzeit von ihr respektiert wird".
Neu ist der besondere Service übrigens nicht. Schon in den Wahlkämpfen 2005 und 2009 verschickte die CDU fertige Merkel-Scheingespräche. Wie viele Auslandszeitungen seinerzeit den Text gedruckt hätten, ist in der Parteizentrale nicht bekannt. Dass man an der Praxis auch in diesem Jahr festhält, ist erstaunlich. Denn erst im vergangenen Jahr hatte ein ähnliches Vorgehen für Spott und Empörung gesorgt.
Im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2012 versuchte die dortige CDU, die Anzeigenblätter des Landes für sich zu instrumentalisieren. Auch sie wurden mit vorgeschriebenen Interviews versorgt, in denen sich Ministerpräsident David McAllister als sympathischer Landesvater inszenieren durfte. Als die Sache bekannt wurde, machte der Spitzenkandidat kleinlaut einen Rückzieher. Er habe, versicherte McAllister damals, für die Aktion nicht sein Okay gegeben.
Zusammengesetzte Antworten
Das Angebot an die deutschsprachige Auslandspresse erfolgt dagegen mit ausdrücklicher Billigung Merkels, bestätigt die CDU. Ihre Wahlkampfstrategen hoffen, mit der Aktion eine begehrte Wählerklientel zu erreichen. Im Ausland leben Hunderttausende Deutsche, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben, aber weiter wahlberechtigt sind. Wie viele es genau sind, ist nicht bekannt. Die CDU geht sogar von rund einer Million aus. Fakt ist, dass meist nur ein Bruchteil von ihnen sich die Mühe macht, sich ins Wählerverzeichnis ihrer Heimatgemeinde eintragen zu lassen, um anschließend wählen zu können. Bei der letzten Bundestagswahl 2009 sollen es rund 70.000 gewesen sein, heißt es aus dem Büro des Bundeswahlleiters. Doch bei einem engen Rennen können auch diese Stimmen entscheidend sein.
Darauf weist auch die Bundeskanzlerin hin. "Die Entscheidung, welche Parteien die nächste Regierung stellen, kann sehr knapp werden und von wenigen tausend Stimmen abhängen", mahnt Merkel in ihrem PR-Interview. Für die Zielgruppe hat sie wertvolle Tipps parat. Auf der CDU-Website gebe es viele nützliche Informationen zur Bundestagswahl. Und: "Wer sicher sein will, dass es Deutschland weiterhin gutgeht, muss CDU wählen."
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"Platt und inhaltlich null informativ" findet man solche Phrasen auch bei der "Mallorca Zeitung". Wie schon vor vier Jahren will die Redaktion das Musterinterview nicht drucken.
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